Fledermäuse

Fledermäuse sind eine sehr diverse Gruppe von Säugetieren – von insgesamt ca. 90 heimischen Säugetierarten in Österreich sind 31 Arten Fledermäuse (M. Milchram, KFFÖ, mündl. Mitteilung)! Weltweit gibt es sogar 1.428 Fledermausarten . Dennoch weiß man relativ wenig über diese Artgruppe der einzigen aktiv flugfähigen Säugetiere der Erde. Gründe dafür sind (unter anderen) sicherlich ihre nächtliche Lebensweise, ihr großer Aktionsradius, ihre geringe Größe und spezielle Fähigkeiten wie Ultraschalllautäußerung und Echoortung, die dem Menschen lange Zeit verborgen blieben. So war lange auch nicht klar, dass Windräder für Fledermäuse eine Gefahr darstellen können und warum. Obwohl in diesem Feld seither viel und teilweise sehr aufwändig geforscht wurde und nach wie vor wird, um Kollisionen von Fledermäusen mit Windkraftanlagen zu verhindern, sind dennoch noch viele Fragen unbeantwortet.
Der aktuelle Forschungsstand liefert bereits einige wichtige Grundlagen für einen effektiven Fledermausschutz bei Windkraftanlagen.
Warum kollidieren Fledermäuse?
Obwohl sich Fledermäuse mittels Ultraschalls in der Nacht perfekt orientieren können, wissen wir heute, dass sie Gefahr laufen können, durch Windräder getötet zu werden. Warum dem so ist, gibt nach wie vor Rätsel auf. Bis dato wurden unterschiedliche Hypothesen aufgestellt (Cryan and Barclay 2009), eindeutige Erklärungen gibt es jedoch kaum. Stand der Wissenschaft ist, dass Kollisionen und Verletzungen Todesursachen für Fledermäuse an laufenden Windrädern sind (Baerwald et al. 2008). Allerdings sind nicht alle Fledermausarten davon betroffen (Gaultier et al. 2020). Die Wissenschaft beschäftigt sich seit längerem damit, warum manche Fledermausarten mehr und andere weniger windkraftsensibel sind.
Schutz auf dem Zug

Manche Arten scheinen auf ihnen bekannten Wegen, wie etwa auf Zugrouten, die sie vom Sommer- zum Winterquartier und retour zurücklegen, besonders gefährdet zu sein (z.B. Cyran and Barclay 2009). Hier konzentrierte sich die Forschung in der Folge nicht nur auf das „Warum“ (Cyran et al. 2014), sondern vielmehr darauf, welche Auswirkungen dies auf die demographische Struktur innerhalb von Populationen und die Populationsstruktur haben kann sowie auf Möglichkeiten, Kollisionen zu verhindern (z. B. Kruszynski et al. 2021, Lehnert et al. 2014, Richardson et al. 2021).
So ist bekannt, dass von den verschiedenen Arten mit unterschiedlichster Ökologie auch und besonders jene Arten betroffen sind, die weite Strecken zwischen Sommer- und Winterquartieren zurücklegen, wie etwa der Große Abendsegler (Lehnert et al. 2014). Weil die Tiere aus den verschiedensten Regionen und damit aus den diversesten Sommerpopulationen in dieselben Winterquartiere und wieder retour fliegen, ist es schwer, den Einfluss auf Populationsebene festzumachen (Kruszynski et al. 2021); Kollisionen in Deutschland könnten beispielsweise Auswirkungen auf die Population im Baltikum haben, wenn es sich um von dort kommende oder dahin ziehende Tiere handelt (Lehnert et al. 2014).
Was jedoch relativ einfach ist, ist das Risiko durch Kollision auf dem Zug zu verhindern: Dank umfassender Untersuchungen zur Fledermausmortalität an Windrädern und Forschung zum Zugverhalten von Abendseglerarten, weiß man zwar, dass das Zugverhalten (wie so vieles in der Ökologie von Fledermäusen) sehr komplex ist (z. B. Lehnert et al. 2018; Vasenkov et al. 2023), aber auch, dass durch gezieltes Abschalten von Windkraftanlagen in wenigen Nächten ohne großen Aufwand aktiv und effektiv Fledermausschutz betrieben werden kann. Ähnliche Studien zu amerikanischen bzw. kanadischen Arten mit Zugverhalten kommen zum gleichen Ergebnis, dass gezielte Abschaltungen ein wirksames und effektives Mittel darstellen (z. B. MacGregor and Lemaîre 2020).
Risiko abhängig von der bevorzugten Beute? – Nein
Eine Hypothese besagt, dass Fledermäuse von Windturbinen angezogen werden, weil es dort zu Ansammlungen von ihnen als Nahrung dienenden Insekten kommt (Gaultier et al. 2020). Diese Hypothese wurde jedoch bereits 2018 widerlegt (Reimer et al. 2018). Nichtsdestotrotz ist unbestritten, dass manche Arten „neugieriger“ sind und sich den Windrädern öfter als andere nähern (Cyran et al. 2014, Ellerbrok et al. 2023). Dies gilt durchaus v. a. für Arten, die zur Nahrungsgilde der Offenlandjäger gehören (Ellerbrok et al. 2023). Sie jagen ihre Beute, anders als andere Arten, die z. B. auf Bodeninsekten oder die Jagd in dichten Strukturen spezialisiert sind, im freien Flug (Ellerbrok et al. 2022). Warum sie jedoch von den Windrädern „angezogen“ werden, wie es manchmal den Anschein erweckt, ist noch nicht abschließend geklärt (Cyran et al. 2014, Ellerbrok et al. 2023).
Umgekehrt gibt es auch Arten, die Windräder zu meiden scheinen (Ellerbrok et al. 2024, Gaultier et al. 2023). Hier stellt sich weniger die Frage nach der Gefahr von Kollisionen, sondern vielmehr jene nach dem Verlust von Lebensräumen (Gaultier et al. 2023).
Windkraft leistet Beitrag zum Fledermaus-Schutz
Seit bekannt ist, dass Fledermäuse durch Windräder zu Schaden kommen können, hat sich diesbezüglich in der Forschung viel getan. Aber auch in der Branche ist man sensibilisiert. So müssen zu jedem neuen Windparkstandort Fledermauserhebungen durchgeführt werden, um herauszufinden, ob und wenn ja, welche Arten gefährdet sein könnten. Dazu dienen akustische Aufnahmen oft schon im Zuge der Projektierung, aber auch als Monitoring in der ersten Zeit des Anlagenbetriebs. Je nach Vorkommensintensität müssen Abschaltvorgaben erfüllt werden, um Schlagopfer zu verhindern. Diese können entweder pauschal sein, oder aufgrund der Monitoringdaten genau an den Standort angepasst werden. Ihre Wirksamkeit muss je nach Standort auch durch ein Schlagopfermonitoring – ein systematisches und wiederkehrendes Absuchen des Windparkraumes auf am Windrad verunglückte Fledermäuse – überprüft werden.
Die ersten Erhebungen zu Schlagopfern, noch ohne Abschaltvorgaben, haben ergeben, dass pro Windrad und Jahr im Schnitt fünf Fledermäuse umkommen (BIOME 2004). Nachdem man dank umfassender Forschung nun weiß, dass Fledermäuse nur bei trockener Witterung, geringen Windstärken und ab gewissen Temperaturen fliegen (Brinkmann et al. 2011), können Abschaltungen sehr genau auf diese Verhältnisse angepasst werden, um sowohl Schlagopfer als auch Ertragsverluste zu minimieren, insbesondere wenn, wie beschrieben, ein auf den jeweiligen Standort bezogenes „Feintuning“ erfolgt (Rnjak et al 2023). Zusätzlich garantieren das Belassen und der Schutz von Altbäumen, die Pflege von Altholzinseln oder das Anlegen von Brachen dafür, dass ein wesentlicher Beitrag zur Erhaltung eines fledermausgeeigneten Lebensraumes durch die Windbranche erfolgt. Last but not least sei hier auch das sog. „Micrositing“ genannt: Dies bedeutet ein optimales Platzieren der einzelnen Anlagen, um möglichst wenig Einfluss auf die vorhandene Lebensraumausstattung und deren Bewohner:innen zu haben. Im Fall von Fledermäusen sind hier beispielsweise Hecken ein wichtiger Faktor, weil sie diese als Leitstrukturen zwischen Habitaten, also z.B. zwischen Schlafstätte und Jagdort nutzen (Leroux et al. 2022).
Die Kombination aus Micrositing, an Fledermausaktivität angepasste Abschaltungen und Habitat-Verbesserungsmaßnahmen außerhalb des Gefahrenbereichs werden als die besten bekannten Instrumente des Fledermausschutzes an Windkraftanlagen bezeichnet (Gaultier et al. 2020).
Zusammenfassung
Fledermäuse sind eine große, sehr komplexe und heimlich lebende Gruppe von Säugetieren, weshalb noch viele Fragen offen sind, was ihre Gefährdung durch Windkraftanalagen betrifft. Allerdings weiß man schon sehr gut, wie man die Gefahr von Kollisionen und Lebensraumverlust minimieren kann: durch Micrositing, gezieltes Abschalten in Zeiten mit hoher Fledermausaktivität und Schutz alter Bäume und anderer fledermausdienlicher Strukturen. Dies ist in Österreich bei neuen Windparks Standard, wodurch die Branche ihr Bestmögliches zum Schutz der nächtlichen Flieger beiträgt.
Weiterführende Links
Baerwald et al. (2008): Barotrauma is a significant cause of bat fatalities at wind turbines
Brinkmann et al. (2011): Entwicklung von Methoden zur Untersuchung und Reduktion des Kollisionsrisikos von Fledermäusen an Onshore-Windenergieanlagen.
Cryan, Barclay (2009): Causes of Bat Fatalities at Wind Turbines: Hypotheses and Predictions
Cryan et al. (2014): Behavior of bats at wind turbines
Ellerbrok et al. (2022): Activity of forest specialist bats decreases towards wind turbines at forest sites
Ellerbrok et al. (2023): Forest gaps around wind turbines attract bat species with high collision risk
Ellerbrok (2024): Forest bat activity declines with increasing wind speed in proximity of operating wind turbines
Gaultier et al. (2020): Bats and Wind Farms: The Role and Importance of the Baltic Sea Countries in the European Context of Power Transition and Biodiversity Conservation
Kruszynski et al. (2021): High Vulnerability of Juvenile Nathusius’ Pipistrelle Bats (Pipistrellus nathusii) at Wind Turbines
Lehnert et al. (2014): Wind Farm Facilities in Germany Kill Noctule Bats from Near and Far
Lehnert et al. (2018): Variability and repeatability of noctule bat migration in Central Europe: evidence for partial and differential migration
Leroux et al. (2022): Distance to hedgerows drives local repulsion and attraction of wind turbines on bats: Implications for spatial siting
MacGregor, Lemaîre (2020): The management utility of large-scale environmental drivers of bat mortality at wind energy facilities: the effects of facility size, elevation and geographic location
Reimer et al. (2018): Echolocation activity of migratory bats at a wind energy facility: testing the feeding-attraction hypothesis to explain fatalities
Richardson et al. (2021): Peaks in bat activity at turbines and the implications for mitigating the impact of wind energy developments on bats
Rnjak et al. (2023): Reducing bat mortality at wind farms using site-specific mitigation measures: a case study in the Mediterranean region, Croatia
Vasenkov et al. (2023): Autumn Migration of Greater Noctule Bat (Nyctalus Lasiopterus): through Countries and over Mountains to a New Migration Flight Record in Bats
Gaultier et al. (2023): The presence of wind turbines repels bats in boreal forests